Der Rettungshubschrauber Christoph 80 ist bekanntermaßen im nordbayerischen Weiden stationiert. Doch Anfang Januar führt ein Einsatz die Crew sogar bis in das 230 Kilometer entfernte Alpenvorland – zur Versorgung eines schwer verletzten Skifahrers. Wie kommt es, dass Hubschrauber nicht immer nur im „heimischen“ Gefilde unterwegs sind?
Das neue Jahr ist wenige Tage alt, die Crew von Christoph 80 einsatzbereit an ihrer Luftrettungsstation in Weiden (Oberpfalz). Fast punktgenau um elf Uhr ertönt ein Alarm: Verlegungsflug. Ein Patient mit fehlerhaftem Herzschrittmacher soll dringend operiert und dafür vom Klinikum Weiden nach Großhadern in München geflogen werden. Pilot Martin Anz startet den Hubschrauber und dann macht sich die Crew auf den Weg – zunächst zur Abholung des intensivpflichtigen Patienten. Im Anschluss fliegt sie ihn in das zirka 180 Kilometer entfernte Klinikum in der bayerischen Landeshauptstadt. Was noch niemand weiß: Von dort aus wird es heute noch weitere 50 Kilometer Richtung Süden gehen – zu einem Notfall in die bayerischen Voralpen.
Bis zu welcher Entfernung können Hubschrauber eigentlich an einen Einsatzort gerufen werden? Die Antwort fällt etwas komplexer aus. Denn es muss zwischen Notfalleinsätzen (primär) und Patientenverlegungen (sekundär) unterschieden werden. „Bei einem Verlegungsflug, wie dem von Weiden nach München, sind lange Flugstrecken ganz normal“, sagt Pilot Martin Anz. Das können auch mehrere hundert Kilometer sein, über die Grenzen des Bundeslandes hinaus. Zum Beispiel wenn Patienten in eine spezialisierte Klinik transportiert werden müssen. Doch: Wie läuft es bei akuten Notfalleinsätzen?
Die Crew von Christoph 80 – neben Pilot Martin Anz auch Tobias Hecht (Notarzt) und Marina Heidenreich (HEMS TC) – hat den Patienten gerade an das Team im Klinikum Großhadern übergeben und ist bereit für den Rückflug an die Station in Weiden. Da tönt erneut der Melder: Notfall in den Bayerischen Voralpen, Skigebiet Brauneck bei Lenggries. Die Integrierte Leitstelle Oberland meldet einen Patienten mit lebensbedrohlicher Blutung nach Skiunfall. Die Bergwacht ist bereits vor Ort. Jedoch ist in der Region gerade kein anderer Hubschrauber verfügbar. Da Christoph 80 in der Nähe ist, soll die Crew den Einsatz übernehmen.
„Für Notfalleinsätze deckt ein Hubschrauber erstmal einen ungefähren Radius von 60 Kilometern um seine Station ab“, erklärt Martin Anz. Der Grund: Zeit. Denn im besagten Umkreis können Crews Notfallpatienten schnellst- und bestmöglich versorgen. Doch können Hubschrauber-Crews trotzdem auch zu Notfalleinsätzen in weiterer Entfernung gerufen werden, wenn es die Situation erfordert. |
Ein klassischer Fall ist die sogenannte Amtshilfe – also, wenn Hubschrauber-Crews in einem anderen Einsatzabschnitt aushelfen, weil dort gerade kein geeignetes Rettungsmittel zur Verfügung steht – oder dieses nicht rechtzeitig beim Patienten eintreffen kann. Die Alarmierung kann direkt an der Station erfolgen. Oder auch von unterwegs, wenn sich der Hubschrauber durch einen Kliniktransport gerade in einer anderen Region befindet, in der plötzliche Hilfe benötigt wird. Ist die Crew einsatzbereit, kann sie von der zuständigen Leitstelle angefordert werden. So wie im Falle von Christoph 80. * |
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Nach 15 Minuten erreicht Christoph 80 den Einsatzort am Skilift „Draxlhang“. Und steht direkt vor einer Herausforderung. „Für uns als Besatzung aus Nordbayern sind Einsätze auf alpinen Skipisten nicht alltäglich“, sagt Martin Anz. „Hier muss man sich auf spezielle Bedingungen einstellen.“ Wie es der Zufall will, gab es hier vorher reichlich Neuschnee. „Darin liegt auch die Schwierigkeit“, erklärt Martin Anz. „Denn Neuschnee ruht locker auf der alten Schneedecke und wird bei der Landung durch den Rotor aufgewirbelt.“ Das Ergebnis ist eine weiße Schneewolke („White-out“), die die Sicht erschwert. „Hier übernimmt die Bergwacht eine wichtige Rolle“, sagt Martin Anz. Ein Bergretter steht nahe dem Landeort am Boden und dient als Einweiser sowie als Referenzpunkt in der weißen Schneewolke. So kann der Pilot die Maschine problemlos landen.
Zeitvorteil in der LuftDer 52-jährige Patient wurde durch die Bergwacht bereits perfekt vorversorgt. Mittels sogenanntem „Tourniquet“ – einem mechanischen Abbindesystem – konnte die starke Blutung der Oberschenkelverletzung vorübergehend gestoppt werden. Notarzt Tobias Hecht und HEMS TC Marina Heidenreich übernehmen die medizinische Versorgung des Patienten. Die Alarmierung des Rettungshubschraubers sorgt für einen erheblichen Zeitvorteil: Einerseits, weil der Patient schnelle medizinische Versorgung direkt am Unfallort erhält. Und andererseits, weil der Lufttransport in die nahelegende Unfallklinik Murnau wertvolle Zeit für den Patienten spart. Nur zehn Minuten dauert der Flug in das Klinikum, wo die lebensbedrohliche Verletzung zügig weiterversorgt wird. |
Alpenblick aus dem Cockpit. |
Christoph 80 macht sich anschließend auf den Weg in seine Heimat, die Oberpfalz. Währenddessen ist die Crew wieder einsatzbereit, sodass sie jederzeit alarmiert werden kann, wenn sie gebraucht wird.
Wir danken allen Beteiligten – insbesondere der Bergwacht – für die hervorragende Zusammenarbeit und wünschen den beiden Patienten eine schnelle Genesung!