Station Freiburg, Ende September: Die Crew hat sich gerade in den Dienstschluss abgemeldet, da wird sie für einen letzten Einsatz angefragt. Es wird dringend ein Notarzt gebraucht. Die Crew des Christoph 54 hebt nochmal ab – zu einer Reanimation in die Freiburger Innenstadt. Um wertvolle Zeit zu sparen, kommt die Winde zum Einsatz.
„Wir haben uns gerade bei der Leitstelle in den Feierabend abgemeldet“, erinnert sich Henning Behrens, HEMS-TC auf dem Christoph 54 in Freiburg. „Da geht plötzlich nochmal unser Melder.“ Parallel klingelt das Telefon. Die Disponentin der Integrierten Leitstelle Freiburg ist am Hörer. Sie hat soeben einen Notruf angenommen – am Konzerthaus in Freiburg sei eine Person die Treppe hinuntergestürzt und nun bewusstlos. Das Problem: Ein Rettungswagen ist zwar auf dem Weg, jedoch ist momentan kein Notarzt verfügbar. Deswegen meldet sie sich bei der Freiburger Crew und bittet um Unterstützung der noch an der Station befindlichen DRF-Notärzte Dr. Frank Lerch und Dr. Doreen Sternheim, die gerade die Wiedereinarbeitung nach der Elternzeit durchläuft und deshalb als zweite Notärztin auf Christoph 54 ihren Dienst versieht.
Da zum Zeitpunkt des Anrufs bei Sonnenuntergang das verbleibende Fenster an Flugzeit für den RTH nur noch kurz ist und auch die Landemöglichkeiten im Innenstadtbereich begrenzt sind, soll ein Streifenwagen der Polizei die Notärzte abholen und zum Notfallort bringen. Doch mittlerweile leitet die Disponentin eine Reanimation der Patientin per Telefon an. „Es musste schneller gehen“, erinnert sich Henning Behrens. „Deswegen entschieden wir uns für eine andere Möglichkeit.“
Per Winde zur Patientin
Pilot Pascal Schips startet den Rettungshubschrauber und hebt mit seinen drei Crew-Mitgliedern ab. Nach kurzer Flugzeit erreichen die Luftretter den Einsatzort vor dem Freiburger Konzerthaus. Der Hubschrauber wird nicht gelandet, um die Notärzte abzusetzen, die Besatzung entscheidet sich stattdessen für den Einsatz der Rettungswinde. Notarzt Lerch und Notärztin Sternheim werden mit spezieller Ausrüstung gesichert und mit dem Windenseil aus 20 Metern Höhe direkt zur Patientin heruntergelassen.
Einsatz von Rettungswinden
Deutschlandweit sind derzeit vier Hubschrauber der DRF Luftrettung mit einer Rettungswinde ausgestattet: Christoph Dortmund, Christoph 62 (Bautzen), Christoph 27 (Nürnberg) und Christoph 54 (Freiburg im Breisgau).
Rettungswinden kommen dann zum Einsatz, wenn eine Patientenrettung vom Boden aus gar nicht oder nur mit größerer Zeitverzögerung möglich ist. Oftmals werden Windeneinsätze mit Bergen und Seen in Verbindung gebracht. Die Szenarien sind jedoch vielseitig. Wenn, wie in diesem Einsatz, keine geeignete Landemöglichkeit in der Nähe des Einsatzortes zur Verfügung steht, kann ein Notarzt auch im Stadtgebiet mit der Rettungswinde zum Patienten gelangen.
Sieben Minuten nach der Alarmierung treffen die Notärzte bei der der 49-jährigen Patientin ein und können diese gemeinsam mit der Besatzung des RTW versorgen. Pilot Schips und HEMS-TC Behrens fliegen währenddessen – wie geplant – zur Station zurück.
Die Bedingungen für die medizinische Versorgung am Einsatzort sind vorteilhaft, da zwei Polizisten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte eine Laienreanimation durchgeführt haben. Die beiden Mediziner stellen bei der Patientin per EKG ein lebensbedrohliches Kammerflimmern fest. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form des Herz-Kreislauf-Stillstandes, bei der der Herzmuskel nur noch unkoordiniert zuckt und die Pumpfunktion des Herzens ausfällt. Die Notärzte entscheiden sich für eine sofortige Defibrillation. Dabei werden gezielte Stromimpulse durch den Herzmuskel geleitet, um das Kammerflimmern zu unterbrechen. Insgesamt muss die Patientin 13-mal defibrilliert werden, denn sie hat immer wieder wechselnde Herzrhythmen.
Parallel erhält die Patientin mit Unterstützung des RTW-Teams einen intravenösen Zugang, über welchen eine Infusion und Notfallmedikamente zur Stabilisierung verabreicht werden. Des Weiteren wird die Patientin intubiert – also ein Beatmungsschlauch in ihre Luftröhre eingeführt – und kontrolliert beatmet.
Transport mit dem RTW
Als sie medizinisch stabil ist, wird sie in den RTW gebracht und unter Begleitung der beiden Notärzte in das zwei Kilometer entfernte Universitätsklinikum in Freiburg transportiert. Dort können die Retter die Patientin an das Schockraum-Team übergeben. Sie wird direkt an eine Maschine zur Herz-Kreislauf-Unterstützung angeschlossen: eine ECLS (extracorporeal life support). Diese kann außerhalb des Körpers die Pumpfunktion des Herzens übernehmen. Dabei wird das Blut über ein Schlauchsystem in eine externe Pumpe und danach zurück in den Körper geleitet.
Die gute Nachricht lässt glücklicherweise nicht lange auf sich warten: Nach ihrem Aufenthalt auf der Intensivstation des Universitätsklinikums Freiburg, kann die Patientin nach kurzer Zeit auf die Normalstation verlegt werden – wach und ohne neurologische Schäden.
Wir wünschen der Patientin alles Gute und eine rasche und vollständige Genesung. Ein Dank geht an die Kollegen des DRK Freiburg, des Malteser Hilfsdienstes Freiburg und an die Polizisten vom Revier Freiburg Nord, die mit der Laienreanimation begonnen hatten.
Über die Station Freiburg
Die seit dem 10. März 1993 bestehende Station befindet sich am Flugplatz Freiburg. Es kommt ein Rettungshubschrauber des Typs H145 Fünfblatt mit Rettungswinde zum Einsatz.
Über die DRF Luftrettung
Die Luftrettung mit Sitz in Filderstadt ist eine der größten Luftrettungsorganisationen Europas.
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