Wing-to-wing-Einsatz im kanadischen Montreal

MedCrew in Goosebay (Quelle: DRF Luftrettung)

MedCrew in Goosebay (Quelle: DRF Luftrettung)

Am Wochenende vom 14. Januar 2023 erlebte die diensthabende Besatzung des Ambulanzflugbetriebs einen Einsatz der besonderen Art. Die Aufgabe: Ein medizinisch kritischer Patient soll schnellstmöglich von Mexiko nach Deutschland repatriiert werden. 

Schnell war in der am Flughafen Karlsruhe/Baden-Baden ansässigen Einsatzzentrale klar: Dieser zeitaufwändige Einsatz muss in einem sogenannten Wing-to-wing-Verfahren stattfinden. „Aufgrund der gesetzlich festgelegten Flugdienst- und Ruhezeiten ist es nicht möglich, den Patienten direkt aus Mexiko abzuholen“, erklärt Dennis Wittmann, Einsatzkoordinator in der Einsatzzentrale der DRF Luftrettung. Mit dem Wing-to-wing-Verfahren wird die Transportzeit durch Zuhilfenahme eines zweiten, vor Ort ansässigen Flugambulanzunternehmens bestmöglich reduziert, indem auf einem adäquaten Teilabschnitt der Flugstrecke eine Übergabe geplant wird. „Hier bedienen wir uns unserer Erfahrungen die wir in vorherigen Missionen gesammelt haben und wählen einen Ambulanzflugprovider, der taktisch gut in der Nähe des Patienten stationiert ist, um lange Anflugzeiten zu vermeiden“, so Dennis Wittmann. „Dieser Provider muss außerdem unseren hohen professionellen Standard bedienen.“ Auch die Abstimmung der Zeitpläne beider Akteure ist dabei unerlässlich, um Verzögerungen zu vermeiden, die unter anderem dazu führen können, dass Flugplätze, die für eine Zwischenlandung benötigt werden, nicht mehr geöffnet haben. Nach intensiver Vorbereitung gab die Einsatzzentrale grünes Licht für die Mission: „In unserem Fall bedeutete dies, dass uns der Patient von einem Flugambulanzunternehmen aus Mexiko in die Provinz Quebec im südöstlichen Kanada angeliefert wurde und wir ihn letztendlich für den restlichen Teilabschnitt zurück nach Frankfurt übernahmen“, erklärt Kopilot Christian Schaub.

Medizinische Abklärung der Anfrage 

Parallel zur Flugplanung erfolgte durch den Leitenden Arzt der Abteilung Medizin Flugzeuge, Dr. Michael Beier, eine Einschätzung hinsichtlich der Machbarkeit und der medizinischen Anforderungen sowie die Auswahl der geeigneten medizinischen Crew. Eine besondere Herausforderung bestand hier im hohen mitzuführenden Sauerstoffvorrat sowie der Vorbereitung auf eine möglicherweise erforderliche Notfallnarkose bei Übernahme des Patienten auf dem Flughafen. „Grundsätzlich fragen wir uns vor jedem Einsatz: Wie können wir den Transport sicher und in hoher Qualität erbringen? Daran richten wir unsere Vorbereitungen aus. Diesen Aufwand nehmen wir gerne in Kauf, um unseren Patienten die bestmögliche Versorgung anzubieten und unsere Crews bestens vorbereitet in den Einsatz zu schicken“, sagt Dr. Michael Beier. 

Durchgeführt wurde der Einsatz von Kapitän Benjamin Kurz, Kapitän Torsten Beierlein, First Officer Chris Schaub sowie der medizinischen Besatzung um Flugarzt Dr. Thomas Kieber und Notfallsanitäter Lukas Tausendfreund. 

Dr. Thomas Kieber fasst den medizinischen Aspekt zusammen: „Der 82-jährige Patient war mit seiner Ehefrau auf einer Karibikkreuzfahrt. Ende Dezember musste er in Mexico das Schiff wegen akuter Atemnot verlassen und wurde in eine Klinik gebracht. Die Ärzte stellten eine akute Herzinsuffizienz mit stark eingeschränkter Pumpfunktion fest. Der Patient zeigte mehrfach bedrohliche Herzrhythmusstörungen, die medikamentös behandelt wurden.“ Am 8. Januar erlitt er schließlich eine Lungenembolie und musste auf die Intensivstation verlegt werden. Ein Versuch das Blutgerinnsel aus der Lungenarterie zu entfernen, verbesserte seinen Zustand leider nicht. „Der Patient benötigte in den folgenden Tagen hochdosiert bis zu 12l/min Sauerstoff über eine Maske. Es wurde beschlossen ihn. zur weiteren Behandlung nach Deutschland zu verlegen“, erzählt Dr. Kieber.

 

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Tankvorgang in Goosebay, Neufundland, Kanada bei -20 Grad (Quelle: DRF Luftrettung)

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MedCrew in Goosebay (Quelle: DRF Luftrettung)

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Wing-to-wing Übergabe des Patienten in Montreal (Quelle: DRF Luftrettung)

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Das mexikanische Ambulanzflugzeug zusammen mit der DCCCB (Quelle: DRF Luftrettung)

 

Komplexe Anforderungen während der Durchführung des Auftrags 

Mit Übernahme des Auftrags war der medizinischen Crew klar, dass es sich um einen kritischen kranken Patienten handelt, der sicher mehr Sauerstoff benötigt, als regulär im Ambulanzflugzeug vorgehalten wird. „Wir berechneten den maximalen Sauerstoffbedarf und verstauten zusätzliche Sauerstoffflaschen in unserem Flugzeug. So waren wir auch optimal für den Fall vorbereitet, dass sich der Zustand des Patienten verschlechtern und eine Beatmung notwendig würde“, erinnert sich Dr. Kieber. 

Und auch für die Einsatzzentrale galt es, neben der Koordination des Wing-to-wing-Verfahrens mit dem mexikanischen Provider, weitere wichtige Details zu klären. Wie bei allen Einsätzen der Ambulanzflugzeuge der DRF Luftrettung organisieren die Kollegen dort nötige Hotelübernachtungen, den Treibstoff, die Abfertigung an den Flugplätzen sowie die Einreise in das Zielland, in diesem Fall Kanada. „Die Einsatzzentrale ist während des gesamten Vorgangs die Schnittstelle zwischen den Kunden, der Crew, den Flughäfen, den Luftsicherheitsbehörden der jeweiligen Länder, der aufnehmenden und abgebenden Klinik sowie den Ambulanzunternehmen, die an dem jeweiligen Auftrag beteiligt sind“, stellt Dennis Wittmann dar, wie vielschichtig und komplex seine und Arbeit seiner Kollegen ist. „Des Weiteren müssen wir über die gesamte Zeit das Wetter im Blick haben, falls ein Flugplatz unserer Wahl aufgrund von schlechtem Wetter nicht mehr anfliegbar ist.“ 

Beim Einsatz in Kanada greifen alle Zahnräder gewohnt professionell ineinander: Um 20.00 Uhr Ortszeit konnte der Patient in Montreal von den Kollegen des mexikanischen Ambulanzflugzeuges übernommen werden. Der Zustand des Patienten war unter Sauerstoffgabe durchweg stabil. Während des Fluges wurde der 82-jährige dann doch etwas unruhig und erhielt zur Beruhigung ein Schlafmittel. Nach 12 Stunden konnte er in der deutschen Zielklinik in Frankfurt an die weiterbehandelnden Kollegen übergeben werden. 


Autor: Christian Schaub – Copilot Learjet 35A

Co-Autorin: Claudia Lenk – Referentin Unternehmenskommunikation