DRF-Magazin

Nachhaltigkeit in der DRF Luftrettung

Geschrieben von Admin | 7.12.2023

Was bedeutet „Nachhaltigkeit“ bei der DRF Luftrettung?

Jérôme Gehri: Grundsätzlich geht es um einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen, gerade in einer Zeit rasanter technologischer Entwicklungen und in einem komplexen Feld wie der Luftrettung. Ziel ist es, nicht nur heute, sondern auch in Zukunft Patienten bestmöglich zu versorgen und die Weiterentwicklung der Luftrettung ebenfalls voranzutreiben. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen sind dabei nicht unbegrenzt und müssen klug und weitsichtig eingesetzt werden.

Dr. Jörg Braun: Unsere Kernaufgabe selbst – Menschenleben zu retten – ist nachhaltig. Dieser Kern unserer Arbeit hat sich seit vielen Jahren nicht verändert, er ist unser täglicher Antrieb. Es gehört zu unserem Selbstverständnis, über das Tagesgeschäft hinauszublicken und Werte zu schaffen, die langfristig Bestand haben. Wir investieren in die Zukunft mit Augenmaß und Weitblick. Dazu zählen auch kleine Dinge, wie die Umstellung auf „grünen“ Strom oder der, wenn möglich, sparsame Einsatz von medizinischen Einwegprodukten.

 

Unsere Kernaufgabe selbst – Menschenleben zu retten – ist nachhaltig.

Dr. Jörg Braun, Fachbereichsleiter Medizin

 

Was unternimmt die DRF Luftrettung in puncto Nachhaltigkeit vor allem in Ihren Fachbereichen?

Dr. Braun: Wir optimieren ständig unseren Kernprozess, Luftrettung mit Hubschraubern und Flugzeugen auf höchstem Niveau zu leisten. Konkret heißt das für den Bereich Medizin, dass wir ständig die Entwicklungen und Neuerungen in der Notfallmedizin beobachten und auch selbst vorantreiben. Zentrale Frage ist dabei immer, welchen Vorteil ein neues Verfahren oder ein neues Gerät unseren Patienten bringt. Vor einer Neueinführung prüfen wir beispielsweise in mehreren Schritten den Nutzen, die praktische Anwendbarkeit oder den nötigen Aufwand an Schulungen. Es finden Tests an ein, zwei oder auch mehreren Stationen statt, die so gewonnenen Erkenntnisse fließen in die weitere Planung ein. Natürlich berücksichtigen wir auch externe Anforderungen an uns, unter anderem Regulierungen und medizinische Vorgaben, die wir teilweise schon vorausschauend einbeziehen.

Gehri: Richtig. Nur Augenmaß und kritische Prüfung führen bei aller Begeisterung für Neuerungen zum Erfolg, das gilt auch für den Flugbetrieb. Ganz wichtig ist es, im Gespräch und agil zu bleiben. Hierzu gehört auch der kritische Blick auf bestehende Prozesse und Strukturen. Sind sie noch zeitgemäß und leistungsfähig? In diesem Zuge haben wir zum Beispiel im Jahr 2019 fachbereichsübergreifend neue Strukturen erarbeitet, sodass wir seit deren Einführung im Frühjahr 2020 noch schneller auf Bedürfnisse und Anliegen an den Stationen reagieren können, sowohl von Crewseite als auch von Trägern des Rettungsdienstes und Partnern vor Ort. Zentral ist zudem, dass grundsätzlich jeder Verbesserungsvorschläge einbringen kann, die auch ernsthaft verfolgt werden. Denn: Läuft einmal etwas nicht nach Plan, sehen wir es nicht als Fehler, sondern als Chance zur Verbesserung.


Wie kann jede Kollegin und jeder Kollege dazu beitragen?

Gehri: Mit Offenheit den täglichen Herausforderungen und Veränderungen gegenüberstehen. Es ist nur menschlich, dass man sich ungern aus seiner Komfortzone herausbewegt und Neues kritisch sieht. Veränderungen erfordern jedoch genau diesen Schritt – und Nachhaltigkeit lässt sich ohne Veränderung nicht erzielen.

Dr. Braun: Ja, ohne Veränderung geht es nicht. Man muss die Menschen aber auch mitnehmen und ihnen die Möglichkeit geben zu verstehen, worum es geht, und die Veränderung mitzutragen. Bei der DRF Luftrettung leben wir von der Überzeugung, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass alle den Wandel mit Herz und Verstand mittragen. Das ist schon deshalb wichtig, weil man nicht alles selbst vorausdenken kann und auf den Input und auf die Ideen der Kolleginnen und Kollegen angewiesen ist.

Welche Ziele haben Sie sich in Sachen Nachhaltigkeit für dieses Jahr gesetzt?

Dr. Braun: Um noch einmal die Komplexität unserer Arbeit anzusprechen: Im Hubschrauber treffen medizinische Anforderungen auf fliegerische. Wir arbeiten weiter an der Frage: Wie werde ich beiden optimal gerecht? Und natürlich prüfen wir weiterhin, welche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die in den Kliniken angewendet werden, auch in der präklinischen Versorgung, am Einsatzort selbst, anwendbar wären. Zudem setzen wir einen Schwerpunkt bei der internen Kommunikation und der Achtsamkeit, die wir unseren Kolleginnen und Kollegen gegenüber leben.

Gehri: Derzeit legen wir unser Augenmerk, neben dem Ausbau der Simulationstrainings, darauf, die bereits angestoßenen Projekte abzuschließen und im Detail auszugestalten. Ein weiteres Thema, das ich vorantreiben möchte und das mir besonders am Herzen liegt, ist, administrative Hemmnisse abzubauen und die Kolleginnen und Kollegen im Stationsalltag zu unterstützen und zu entlasten, damit sie sich auf das Wesentliche konzentrieren können: Menschen zu retten.

 

Nachhaltigkeit lässt sich ohne Veränderung nicht erzielen.

Jérôme Gehri, Fachbereichsleiter Flugbetrieb

 

Gibt es hierbei Hürden, die es zu überwinden gilt? Wie gehen Sie damit um?

Dr. Braun: Uns als Organisation würde eine solidere Streitkultur guttun, in der Kritik zwischen allen Ebenen der Hierarchie noch besser möglich ist und nicht persönlich genommen wird, wenn sie entsprechend vorgetragen wird. Auch müssen wir aufpassen, dass wir einzelne Personen nicht überfrachten. Als Arbeitgeber habe ich zum einen die Aufgabe und die Pflicht, meine Kolleginnen und Kollegen vor Überlastung zu schützen. Zum anderen kommt auch hier der Gedanke der Nachhaltigkeit ins Spiel. Denn es liegt in unserem Interesse, dass alle langfristig gesund, motiviert und mit Freude bei der Arbeit sind.

Gehri: Die Luftfahrt ist sehr stark reguliert. Insofern ist man in seinen Entscheidungen nicht immer frei und einige Vorschriften erscheinen auf den ersten Blick nicht sehr sinnvoll. Gestützt wird dieses Empfinden immer wieder auch durch einen Mangel an Passgenauigkeit, wenn Gesetze zwar grundsätzlich richtig sind, aber an unserer Arbeitsrealität vorbeigehen. In diesen Fällen setzen wir uns in einer internen Gruppe zusammen und prüfen, wie wir die Hürde am besten nehmen können. Sofern wir es für sinnvoll erachten, streben wir auch die Änderung von luftfahrtrechtlichen Regularien an, um die Luftrettung nachhaltig zu verbessern. Hierzu sind wir in mehreren Gremien, auch auf europäischer Ebene, vertreten.

Wie sieht eine nachhaltige Rettungsorganisation in fünf Jahren aus? Wo steht sie?

Dr. Braun: Ein wenig plakativ könnte man sagen: So wie heute, nur noch besser! Denn nachhaltiges Handeln zeichnet sich durch langfristiges Denken und kluges Wirtschaften mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen aus. Dabei ist unser wichtigstes Kapital, auf das wir aufbauen, unser hoch qualifiziertes Personal und eine möglichst geringe Personalfluktuation. Dies bedeutet, dass wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen, achtsam miteinander umgehen müssen. Das ist auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel enorm wichtig. Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, in zukunftssichere Medizintechnik zu investieren: Bei der Auswahl von Geräten gehen wir sehr sorgfältig vor, führen umfangreiche Testungen durch und berücksichtigen alle Aspekte der Nutzung bei der Produktauswahl. Hier spielen zum Beispiel eine umweltschonende Produktion sowie die Robustheit und Haltbarkeit eines Produktes eine Rolle. Zudem wird die Digitalisierung sicher eine immer größere Rolle spielen.

Gehri: Als Organisation haben wir in den vergangenen vier Jahrzehnten bewiesen, dass wir uns flexibel auf ständig ändernde Rahmenbedingungen einstellen und dabei selbst proaktiv bleiben können. Hier sehe ich auch eine wichtige Rolle der DRF Luftrettung: Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung und unseres großen Wissens sind wir in der Lage und in der Pflicht, Entwicklungen und neue Technologien zu bewerten und voranzutreiben. Großes Potenzial für die kommenden Jahre bieten hier konkret der Instrumentenflug und die Luftrettung bei Nacht.

 

Autorin

Stefanie Kapp - Pressereferentin